Das Aquarellieren ist die hohe Kunst, das eigene Wissen um seine Ziele mit der Leichtigkeit und dem Gebot des Augenblicks zu verbinden - manchmal auch zu unterwerfen und zum richtigen Zeitpunkt zu agieren oder reagieren. Ein guter Aquarellist hat wie ein guter Musiker viele Stunden sein Instrument studiert und seine Noten geübt, wiederholt und interpretiert. Erst nach diesen Anstrengungen und Versuchen weicht die Angst vor dem leeren Papier oder einem Fehler der Lust am Spielen, am Flirten und der Lust, an neue Grenzen zu gehen.
Aquarellieren ist eine Reise, ein Weg mit immer neuen Entdeckungen, Erkenntnissen und voller
interessanter, bunter und leidenschaftlicher Menschen, die ebenfalls dieser Königsdisziplin unter den künstlerischen Techniken verfallen sind.
Mein persönlicher Weg hat mit meiner Faszination für die Vielfalt der Farben in einem Schmincke Aquarellkasten begonnen. Ich habe ihn mir noch während meiner Schulzeit vom Ersparten geleistet – halbe Näpfchen, dafür um so mehr Farben! Heute verwende ich meist nur die Grundfarben und mische sie – meine Näpfchen sind zu ausgewachsenen Windsor & Newton Keramiknäpfen herangewachsen oder zu Tubenfarben von verschiedenen Herstellern.
Zu meinen Lieblingspinseln gehört immer noch ein alter Pelikan Rundpinsel, der wunderbar Wasser und Pigment speichert, aber auch Chinesische Kalligraphiepinsel. Ich probiere alles aus, worauf ich gerade Lust habe.
Nach privatem Zeichenunterricht und Aktzeichenen an der Städelschule Frankfurt noch während meiner Schulzeit, ermöglichte mir meine Ausbildung an der Zeichenakademie Hanau eine fundierte zeichnerische Ausbildung und erste geführte Schritte im Aquarellieren. Unser wunderbarer Zeichenlehrer Joachim Beyer unterwies uns in Körper- und Naturzeichnen, Perspektive, Schattierungen und nicht zuletzt im Aquarellieren. Wir übten das Anlegen von Lavierungen, um unseren dreidimensionalen gezeichneten Konstruktionen Leben einzuhauchen. Nebenbei las Joachim Bayer und Dürrenmatt und andere Literatur vor. Oder er zeichnete zur Demonstrationszwecken eine Pferdeherde an die Tafel, die nach dem Zeichentag wieder fortgewischt wurde. Leider gab es damals noch keine Smartphones! Seine Können wäre heute sicherlich in einem Lehrbuch herausgegeben. Mich erinnert sein Können an Gottfried Bammes, dessen Anatomiezeichenschule zu einem Kopfkissenbuch für mich wurde.
Unterdessen sind viele Stunden des vergangen. Ich habe von Meistern lernen dürfen. Oft habe ich mich gewundert, nicht verstanden, was gerade vor sich geht, mein Bild liegen gelassen und nach einer langen Zeitspanne wieder unter Wasser gesetzt. Denn erst da hatte ich verstanden, was ich zum Zeitpunkt des Entstehens noch nicht wußte. Aquarell, eine Reise, die uns immer wieder auf uns zurück wirft, Ruhe und Planung erfordert und dennoch nur leben kann, wenn nach der Mühe, die Leichtigkeit und das Spiel die Oberhand gewinnen.
Mich ergreift immer wieder eine Faszination für die Vielseitigkeit des Aquarells und seiner Meister wie ich sie mir bei den Sammlern der Kunst- und Wunderkammern der Renaissance vorstelle.
Mein Flirt mit dem Aquarell ist zu einer echten Liebe geworden. Meine Beziehung zum ihm wie die zu einer Katze. Wir sind gemeinsam unterwegs. Wohin wir gehen wird sich zeigen...